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Partner und Themenverwandte Projekte

Der wichtigste Partner ist die Plattform Naturwissenschaften und Region (NWR) der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT). Sie unterstützt, fördert und koordiniert die Arbeit der Regionalgesellschaften. Ziele sind die Förderung des Dialogs zwischen Naturwissenschaften und Gesellschaft sowie die starke regionale Verankerung der naturforschenden Gesellschaften.

PhaenoNet

Phaenonet

PhaenoNet ist ein Netzwerk von Schüler*innen, Lehrpersonen, Wissenschaftler*innen und interessierten Lai*innen. Die Plattform wird getragen durch GLOBE Schweiz, das Bundesamt für Umwelt, MeteoSchweiz, die ETH Zürich, Science et Cité, das Plant Science Center und den Botanischen Garten der Universität Bern. 

Per Applikation werden Beobachtungen an ausgewählten Pflanzen dokumentiert und die Daten dienen der Erforschung des Einflusses des Klimawandels auf die erfassten Pflanzenarten. 

Die NGL lädt ihre Mitglieder ein mit-zu-melden.

www.phaenonet.ch

Black-Soldier-Fly-Farm, Bali

Die NGL hat in den Jahren 2016-2018 den Aufbau des Projekts «Black Soldier Fly Farm» in Banjar Gunung Kangin auf der Insel Bali finanziell unterstützt. Das Ziel war, gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung ein Abfall Recycling aufzubauen. Organische Abfällen sollten zu Kompost für den Anbau von Gemüse und Getreide sowie zu Nährmedien für Black Soldier Fliegen–Maden verarbeitet werden, letztere als wertvolle Proteinquelle für die Geflügel- und Fischzucht. Die Trinkwasserversorgung sollte verbessert werden, Kunststoffabfälle gesammelt und fachgerecht entsorgt. Letzeres u.a. auch von Schulkindern, welche dafür, dass sie kostenlos lesen und schreiben lernen, jeden Tag eine Menge Plastikabfall in die Schule zur Sammlung bringen. Das Projekt wurde von Ruth Schürmann (auch die treibende Kraft hinter Konzept und Realisierung der NGL Mitteilungsbände 39 und 41 («Vierwaldstättersee – eine Sehfahrt» und «45 Ortstermine») initiiert in Zusammenarbeit mit Made Kusuma, weitern vor Ort wohnhaften Balinesen sowie Forschungsstellen in der Schweiz (EAWAG) und in Indonesien. Mehr dazu Fortschrittsbericht Oktober 2021

Im März 2021 hat die NGL den Umweltpreis 2021 der Albert Köchlin Stiftung (https://www.aks-stiftung.ch/Medienmitteilungen/2021/MM%20Umweltpreis.pdf) erhalten „für ihr Engagement als Brückenbauerin zwischen Naturwissenschaften und Bevölkerung und Herausgeberin allgemein verständlicher, naturwissenschaftlichen Publikationen“. Im Sinne der AKS (https://www.aks-stiftung.ch/) hat die NGL im März 2023 einen Teil des Preisgeldes für den weitern Ausbau des Projektes eingesetzt.

Als Antwort und Dank hat uns Ruth Schürmann eine umfassende und reich bebilderte (ihre besondere Stärke!) Reportage über die erfolgreiche Weiterentwicklung des Projektes geschickt (Fortschrittsbericht April 2023).

www.madefficient.net

Fortschrittsbericht Oktober 2021

Ich schreibe nicht so viel Mails, weil es wirklich Arbeit ist, viel Zeit beansprucht, ich aber auch oft einfach nicht genau weiss, wie ich die Wirklichkeit hier in eine „Sprache“ übersetzen kann, die in der Schweiz verstanden wird. Oder anders ausgedrückt: ich bin mich schon so an all die „Umwege“ hier gewöhnt, die ein Projekt IMMER macht, dass ich manchmal Mühe habe zu zeigen, wie erfolgreich es schlussendlich doch ist.

Ich möchte über die Black Soldier Fly berichten, in die die NGL vor einigen Jahren grosszügig investiert hat. Und ohne alle Umwege, die das Projekt nahm, zu bemühen,: es ist schlussendlich ein Erfolg. Vieles, was damit beabsichtig war, gelang zwar nicht. Zum Beispiel, das ganze Dorf zu involvieren. Oder ein Versuch meinerseits, 2 Produzenten (Made Kusuma und noch jemanden) mit einem exzellenten Verkäufer zusammenzubringen. Dies scheiterte an Religionsfragen, denn Muslime und Hindu, das ist echt schwer zusammenzubringen… und trotz viel open-source Input von Seiten der Eawag (Julia Egger als sehr zuvorkommende Leiterin der Indonesischen Studien in Sidoarjo), hat es nicht zu einer BSF-Community à la Eawag gereicht. (Das schwebte mir eigentlich vor).

Aber Corona hat sehr viele neue Bedürfnisse geschaffen. Es ging und geht der Mehrheit der Leute schlecht. Alle, die im Tourismus gearbeitet haben, mussten zurück in ihre Dörfer, und da gab es nicht viel mehr als Landwitschaft. Plötzlich sah man auf den Feldern Dutzende von Leuten arbeiten, wo vorher ein einsamer Bauer krampfte. Und es fehlte und fehlt zunehmend an Geld. Während ein kleiner Teil der Gesellschaft sich enorm bereicherte und es weiter tut, ist beim Grossteil der Bevölkerung ausser Schulden wenig bis nichts vorhanden.
Schon vor Corona war Made Kusuma zu einem Experten in Fragen BSF und alternatives Hühner- und Entenfutter geworden, und vermehrt noch interessierte die Verwertung von organischem Abfall aus Tierfarmen mit BSF, vor allem Hühnermist war/ist zu entsorgen. Made wurde zu einem Berater. In kleinem Stil, aber immerhin, teilweise angefragt von der Regierung (die echt keinen Schimmer hat, wie dem Abfallproblem hier beizukommen wäre).
Vor Corona war aber der Einsatz von BSF eben immer noch recht exotisch, auch wenn andere nachzogen, mit recht erfolgreichen Produktionen.
Und nun hat Corona die Nachfrage nach Tier-Futter, das billiger ist als das angebotene ready-made Futter (zwar von vielen Hormonen befreite, wie man hört) ungeahnte Höhen erreicht. Made Kusuma, mit der Formula „BSF, Azolla und Ricebran" für die Aufzucht von „organischen Hühnern und Enten“ sieht sich einer reichen Nachfrage nach BSF Larven gegenüber. Da die Hotels alle geschlossen sind, müssen die lokalen Märkte nach Futter abgeklappert werden. Made Kusuma ist eigentlich in den Bergen benachteilig und muss jede Woche die Fruchtmärkte der Hauptstadt abklappern. Aber er hat die Produktion voll im Griff und kann auch gut verkaufen.
UND, was mich am meisten freut: endlich ist eine gute Zusammenarbeit mit Arbeitsteilung entstanden zwischen Tierhalten und Made.
In Made Kusuma’s Schopf hängt die hier angehängte Blache, die zeigt, wie der Abfall getrennt und verwertet wird. Dies zu Unterrichts- und Erziehungszwecken, denn Made’s Farm wir auch immer mehr zu einer „Lehranstalt“.
BSF hat momentan Hochkonjunktur, und Made Kusuma gehört zu denjenigen, die produzieren und unterrichten können, nicht zuletzt dank der NGL. 

Herzlichen Dank!! 

Ruth Schürmann.

 
 

Fortschrittsbericht April 2023

Madefficient

Update zur Black-Soldier-Fly (BSF)-Farm in Gunung Kangin, Baturiti, Bali

Made Kusuma

Made Kusuma im März 2023,
mit herzlichem Dank für die Unterstützung
durch die NGL

«Währende Covid ging es ums Überleben. Nun, da sich die Lage weiter entspannt und die Menschen wieder an eine Zukunft denken können, sind wir am Up-daten der Farm sowie an der Weiterentwicklung unserer mobilen Klein-BSF-Stationen. Unser BSF-Training-Service wird beim Einrichten von dorfeigenen Abfallstationen oder in einigen Ressort-Anlagen verstärkt nachgefragt. Am wichtigsten ist mir persönlich die Umwelterziehung. Wir arbeiten daran, dass wir eines Tages eine von vielen Familien und Schulen besuchte Experimentier- und Lern-Farm sein werden.»

 

Seit in Bali neu die einzelnen Gemeinden für die Abfallentsorgung verantwortlich zeichnen MÜSSEN, ist Madefficient in der Person von Made Kusuma dank jahrelanger Pionierarbeit zu einem gefragten Experten, Berater und Lehrer geworden. Die meisten Gemeinden sind noch völlig überfordert von der neuen Aufgabe, die ihnen die Regierung ohne weitere Anleitung oder Modell-Vorstellungen übertragen hat. Es herrscht ein ziemliches Chaos.

Noch immer ist der Anteil organischen Abfalls an der Gesamtmenge je nach Region 65 bis 80%. Es ist Biomasse, die produktiv verloren ist. Nicht zuletzt aber dank Corona und den neuen Verantwortlichkeiten der Dörfer findet momentan ein gewisses Umdenken statt. Einige wenige, aber wichtige Dörfer leisten Pionierarbeit und machen sich zu Modell-Dörfern (z.B. Ubud oder Taro). Sie haben angefangen, Komposthäuser zu bauen und Kompostierung breit zu propagieren, indem sie z.B. auch an Ort und Stelle eine Art «Kompost-Schau-Garten» anlegen. Zu einem Abfall-«Gesamtpacket» – mit Kompostierung und Sortierung von recyclebarem Material – gehört oft auch eine kleine oder grössere BSF-Anlage für die Kompostierung von Essensresten und Rüstabfällen. Der BSF «Kompost» ist reich an Phosphor (P) und Kalium (K), und gemischt mit Garten-Kompost mit hohem N-Anteil ergibt sich ein guter NPK-Wert.

Made Kusuma ist und bleibt ein «Düfteler», oder vielleicht besser gesagt, ein angewandter Forscher.

Die neuste Kreation von Madeffcient ist die Weiterentwicklung der «mobilen» Klein-BSF-Anlage für Haushalte oder kleine Siedlungen oder Hotels, die aber auch als Schulungsanlage dient. An ihr kann Made Kusuma den ganzen Zyklus einfach erklären und sofort in Gang setzen.

Video: «so funktioniert’s»
(das Wort «Tikus, das Made Kusuma im Video verwendet, heisst «Maus».)
In den im Video noch leeren, aber natürlich dann mit organischen Abfällen gefüllten Fresswannen, fressen die BSF Larven rund 14 Tage, bis sie zum Verpuppen aus der Fresswanne zu kriechen (self harvesting, wie im Video von Made Kusuma an der leeren Fresswanne beschrieben) und in den dunklen Behältern aufgefangen werden.

Die mobile Klein-BSF-Anlage ist transportfreundlich

Das ganze Set aufgestellte zeigt die BSF-Fresswannen in welche die organischen Abfälle eingefüllt werden.

 

Ein Teil der Larven, die aus den Fresswannen gekrochen und in die Behälter gefallen sind, kommt in die «Hochzeitkammer» (mating chamber, grünes Netzgebilde); Nach dem Schlüpfen und der Paarung als Fliege legen die Weibchen dann ihre Eier zwischen die Hölzchen, die in der mating chamber in einer Box ausgelegt sind. Von den Hölzchen werden die Eier dann abgestreift und in die gefüllten Kompostierwannen gegeben…das grosse Fressen kann wieder beginnen…

Hochzeitskammer

Hölzchen zur Eiablage

 

Das nächste Video zeigt Made Kusuma bei der Schulung in «organic waste processing using BSF». Künftige Abfall-Arbeiter aus Ketewel, einem urbanisierten Vorort von Denpasar, lernen den Zyklus kennen. In Ketewel stösst eine BSF-Kompostierung wegen fehlender Direktverwertungsmöglichkeiten von Nahrungsmittelabfällen auf grosses Interesse (urbane Gegend, keine Schweine). Da die BSF-Kompostierung einige Tücken hat, muss dann der Prozess in der Realität länger begleitet werden.

Made Kusuma hat während Corona in der Farm vor allem fermentierte Fruchtabfälle verfüttern können, und die Larven blieben relativ klein. Seit einiger Zeit verfüttert er zusätzlich die abgelaufenen Babynahrungsreste einer ansässigen Firma und bekommt schöne grosse Larven. Er düftelt wieder einmal mehr an einer billigen und ausgewogenen Pellet-Verarbeitung mit Zumischen von Ricebran. Es geht um die Beimischung von Kohlenhydraten und teilweise um eine gewisse Entfettung. Zusammen mit einer Abfallanlage in Singaraja, im Norden der Insel, arbeitet er auch an einer guten Pellet-Mischung für Schweine. Noch gibt es nicht «DIE BSF-Mischung»…

Fette Larven

Auspacken von Babynahrung

Auspacken Babynahrung

 

Während Corona und in der letzten, sehr langen und heftigen Regenzeit, ist die Farm ein bisschen auf den Hund gekommen. Ein heftiger Sturm hat die mating chamber (die «Hochzeitskammer» und Eiablage) zerstört, und die Mäuse hatten sich in den Bambusgestellen der Futterwannen eingenistet und frassen die Larven weg. Eine richtige Plage.

Deshalb musste die ganze BSF-Anlage abgerissen und neu mit Holzlatten und betonierten Wannen (grün gestrichen) aufgebaut werden. Dank der Beratertätigkeit und einem Kleinkredit, den Madefficient nun zurückzahlen kann, konnte die Renovierung in Angriff genommen werden und ist fast abgeschlossen.

Farm nach Sturm im Neuaufbau
Neue betonierte Wannen

Neu renovierte BSF-Anlage

 

Madefficient, so meint Made Kusuma, soll aber noch für etwas weiteres ein Markenzeichen werden. Sein Traum ist es, dass die Farm für Familien und Schulen zu einem Experimentier- und Lernplatz in Bezug auf verschiedenste Umweltthemen wird, verbunden mit Tri Hita Karana, der ursprünglichen Lebensphilosophie der Balinesen. 

Tri Hita Karana heisst: Die Balance mit Gott, den Menschen und der Natur.

Leider ist diese Balance weitgehend in Ritualen erstarrt und gerade auch im Bezug auf die Umwelt findet wenig bis keine Auseinandersetzung mit der Realität statt; einer Realität, in der die meistens Menschen sorglos, achtlos und unwissend ihre Insel selber zerstören; sei es das Wasser, die Luft oder den Boden.

«Wir haben eine wunderbare Lebensphilosophie, aber wir müssen lernen, dass wir sie ständig mit der Wirklichkeit in Übereinklang bringen müssen, sonst sind unsere so bewunderten Rituale nur hohl.»

Made Kusuma

Black-Soldier-Fly (BSF)-Farm in Gunung Kangin, Baturiti, Bali


Anfang April 2023
Ruth Schürmann (Alles Foto-/Videomaterial von Madefficient)

«Organic farming» in Bali

Ausbildung in «pestizidfreier Landwirtschaft» in Nawakerti und Pidpid, im Osten von Bali

Der «harte Kern» der Bauern aus Nawakerti und Pidpid nach dem Besuch in Kedisan, wo eine andere Gruppe von Bauern seit 2019 «organic farming» betreibt. Gegenseitige Motivierung ist sehr wichtig, denn eine chemie-/pestizidfreie Bodenbearbeitung verlangt ein totales Um-Lernen und Um-Denken sowie einen langen Atem in einem landwirtschaftlichen Umfeld, das seit 40 Jahren auf hoch subventionierte chemische Dünger, Pestizide und Hybridpflanzen setzt.

Fortschrittsbericht April 2023

Nawakerti und Pidpid sind zwei Dörfer am Abhang des Vulkans Agung im Osten der Insel, dem «armen» Bali. Während Corona kamen sie alle zurück in ihre Dörfer, die jungen Männer, die auf Cruise Schiffen und auf dem Bau im Ausland gearbeitet hatten, oder an der Küste in den Touristenressorts und den Nightclubs im Westen von Bali. Während Corona war dies die einzige Lösung: zurück in die Dörfer und in die Landwirtschaft. Die Regierung versprach viel, sogar «organic farming» oder «petani muda keren» (Jungbauer sein ist cool) wurden diskutierte Schlagworte, aber es passierte wenig bis gar nichts an Unterstützung von Initiativen in diese Richtung.

In der Gegend am Vulkan Agung haben die Familien noch viel eigenes Land, meist inmitten von Waldungen, wo vor allem Kokospalmen wachsen, einige Bananensträucher und verstreut Gewürznelkenbäume. Den jungen Menschen war das zu karg, man suchte Arbeit im Tourismus oder im Ausland. Kokosnüsse verkaufte man bald nur noch direkt nach Jawa; man vergass sogar die Jahrhunderte alte Tradition des kaltgepressten Kokosöls. Dieses stellen nun die Zentren her und vermarkten es teuer.

Was die Familien heute grösstenteils kultivieren sind «Ubi», Knollenfrüchte wie Maniok/Cassava. Die Ernährung ist oft recht einseitig. Übermässiger oder fast ausschliesslicher Genuss von Stärke und Palmzucker werden für die Diabetes und Gicht zu verantwortlich gemacht; das Dorf Pidpid – beispielsweise – hat einen Anteil von mangelernährten Kindern von fast 20%. Es fehlt an Vitaminen und gesunden Proteinen und Spurenelementen. Viele Familien haben eine oder zwei Kühe, die aber keine Milch liefern. Ab und zu ein Huhn und zu den vielen religiösen Festen fettes Schweinefleisch macht die Sache nicht besser.

Vor genau einem Jahr waren es um die 25 ältere Bauern oder junge Männer, die zurück in die Landwirtschaft wollten, die um «Schulung» in naturnahem Bodenbearbeiten baten (was die Regierung versprochen hatte, aber nie einhielt). Dieser Wunsch war auch ein bisschen aus der Not geboren, denn sogar für den subventionierten chemischen Dünger und die Pestizide fehlte das Geld.

 … aber man sitzt ja buchstäblich auf einem Reichtum an ungenutzter Biomasse. Aber wie diese nutzen…?


Mit Samm, einem in Japan geschulten «organic famer» aus Sulawesi als Lehrer, ein bisschen eigenem Geld und grosszügiger Unterstützung von Freunden begann ich, Workshops anzubieten. Über einige Monate hinweg lernten die Männer (es sind alles Männer, leider) Kompostierung, Flüssigdünger-Herstellung, Möglichkeiten organischer Schädlingsbekämpfung, Bodenvorbereitung, Bepflanzungsarten usw. Samm lehrte sie aus Ricebran und Kokosschalen in Bodenmulden «Arang» herzustellen (Kohle), unterrichtete die Fermentierung von Ziegenkot und das Anlegen von Wurmkulturen. Ein Handtraktor wurde angeschafft, um Felder in den Wäldern zu roden, einige Regenwassertanks mussten installiert, Wasser-Leitungen gelegt werden (man ist auf Regenwasser angewiesen).
Dann bauten die Männer neben den offenen Feldern zwischen den Gamal Pflanzen zwei kleinere Treibhäuser aus Bambus, eines in Pidpid, eines in Nawakerti, die Wände aus Insektenschutznetzen, die Dächer aus Plastik. Auf der Suche nach organischem Pflanzenmaterial musste man weit bis nach Java gehen.

 

Unterricht mit Samm im Kompostieren und bei den Bodenvorbereitungen

 

Die ersten Probepflanzungen mit Kürbis, Tomaten, Chilli und Auberginen als Hauptpflanzen waren recht vielversprechend, die Schädlingsbekämpfung war die grosse Herausforderung. Noch aber war man nicht so weit, an eine Ausweitung der Pflanzungen denken zu können.

Der ganze Lernprozess war wohl zu langsam verlaufen, und es kam nach gut 7 Monaten zur Krise, deren Ursachen allerdings vielfältiger waren. Beispielsweise war da das Arbeiten im Kollektiv und die gegenseitige Unterstützung, die einigen sehr schwerfiel. In Bali will jeder/jede Familie auf eigene Rechnung arbeiten und Konkurrenz – auch Neid – sind starke Antriebsfedern. Wissen wird nicht gerne an andere weitergegeben; gemeinsam Schwierigkeiten wirklich analysieren und überwinden fällt oft schwer. Wer aber vorschnell alleine probierte, hatte meist Misserfolge zu verzeichnen und fing dann teilweise auch an, an der Methode zu zweifeln. Abgesehen davon war die Arbeit viel aufwendiger als das einfache Ausbringen von chemischem Dünger und das Spritzen von Pestiziden. Samm selber hatte keine zusätzliche Zeit zum Unterrichten, wir konnten nicht schneller vorwärts machen. (Man muss sich vorstellen, dass wir für jede Lehreinheit mindestens 7 Stunden Weg zurücklegen müssen) … kurz und gut:

Nach grossen Diskussionen und dem unbedingten Wunsch eines «harten Kernes» weiterzumachen, konnte ich zwei Balinesen als neue Lehrer gewinnen, Gründer einer lokalen NGO: «operating on permaculture and agroecology principles, providing regererative solutions to poverty and development in Indonesia», so ihr Selbstbeschrieb; Ihr Engagement für die kleinen Farmer in Bali ist bekannt und gross. «Es muss halt Vieles zuerst auch im Kopf passieren», sagen sie: «wenn wir das «Mindset» beeinflussen können, können wir Erfolg haben».

Im Januar 2023 begannen wir mit einem neuen Konzept und einem Vertrag für die Lehrer von 6 Monaten. Eine der Farmen in Nawakerti, wo eines der Treibhäuser steht, wurde zum Zentrum erkoren: hier passiert nun alles Lernen für alle; alle benötigten Dinge wie Flüssigdünger, Pestizide, Probiotika, Setzlinge usw. werden hier zusammen hergestellt. Fester Kompost wird in Freiwilligenarbeit gemeinsam in jeder einzelnen Farm der Gruppenmitglieder angesetzt. Im Zentrum werden Probepflanzungen fortgesetzt und man arbeitet grundsätzlich abwechslungsweise in Freiwilligenarbeit; es gibt eine sehr kleine «Anlaufentschädigung» von 50'000 Rupiah = 3,5 CHF pro Tag, die für Essen verwendet werden kann (das gibt z.B. 5 Teller mit Reis mit viel Gemüse und Gewürzen), bis Einnahmen generiert werden können. Was verkauft werden kann (schon sind dies teilweise Salate, teilweise Kompost, teilweise Probiotika) soll verkauft werden, der Ertrag fliesst vorerst in eine gemeinsame Kasse zum Aufbau des «Zentrums».

Keines der Gruppenmitglieder fängt alleine an zu arbeiten, ohne die andern zu informieren oder beizuziehen. Sobald man selber anfangen will, werden alle Schritte gemeinsam besprochen und man muss aus den jeweils unterschiedlichen Situationen (Art/Ort der Felder, Bodenbeschaffenheit usw.) gemeinsam lernen.

Das Wichtigste allerdings: Bevor jeder einzelne anfängt, muss ein gemeinsamer Plan vorliegen, WO WAS angepflanzt werden soll. Normalerweise pflanzen die Balinesen nämlich immer gerade das an, was am Markt teuer ist, alle tun dasselbe. Dann fällt der Preis rasant, und alle setzen auf ein anderes Produkt, sofern sie können, bis das erste Produkt wieder viel zu teuer geworden ist. Neue Herausforderungen bringt aber auch der Klimawandel. Oft ist es viel zu nass, wie dieses Jahr, oder dann wieder viel zu trocken, und überall klagt man über Ernteausfälle.

Die Gruppenmitglieder von «Tani Nawakerti & Pidpid», wie sie sich nennen, müssen lernen, strategisch zu denken und einander ergänzend Produkte anzubauen und auf den Markt zu bringen. Auch soll keiner einzeln verkaufen, sondern über das Kollektiv, über das Zentrum. An Verteilschlüsseln wird man dann arbeiten.

Wiederum kurz und gut: seit Januar startet das Projekt nun richtiggehend durch.

Unterricht mit Kadek und Yan Putra, Vorbreiten des Fermentiermaterials für Flüssigdünger und Pestizide, organische Setzlinge sind angekommen, Salat und Gurken im Treibhaus wachsen gut.

 

Zwar sind gut die Hälfte der Leute ausgestiegen, doch die anderen sind so bei der Sache wie nie. Das weckt die Neugierde wiederum anderer (Nachahmung, wenn etwas Erfolg verspricht, ist DIE Handlungsmotivation in dieser Gesellschaft). Letzte Woche besuchte man eine Gruppe Bauern, die 2019 in einem ganz anderen Teil von Bali in ähnlicher Weise angefangen hat. (Es gibt nur ganz wenige, denn Pioniere in organic farming sind hier, wie bei vielem anderen in Bali, die Weissen, und die Einheimischen sind oft reine Arbeitskräfte auf den Feldern).

Man will einander unterstützen, schickt sich gegenseitig schon Bilder zur Analyse… Da die Lehrer nun jede Woche vor Ort sind und alle Schritte begleiten – auch fast jeden Abend per WhatsApp kommunizieren – fühlen sich die Gruppenmitglieder sicher und stark motiviert. Sie träumen sogar von einer Art «Agrozentrum» nach Nawakerti und Pidpid.

Um die Atmosphäre und den Willen zum Aufbau zu illustrieren, übersetze ich eine WhatsApp Nachricht von Hendra, einem Gruppenmitglied aus Pidpid, vom Sonntag, 2. April: Er schickte ein Video des kleineren Treibhauses in Pidpid, wo im November Chilli gepflanzt worden waren. Die Erde war noch nicht bereit … nun aber…

«Leute, die Chilli wachsen plötzlich total gut und gesund! Es scheint, dass die Erde hier fruchtbar geworden ist. Die Chilli wachsen dicht, die Blüten und Früchte fallen nicht ab wie vorher, (genügend P und K), es hat keine verfaulten Früchte (Virus). Ja, die Stauden scheinen wirklich gesund, und wir können täglich ernten. Wir danken Pak Samm und Ruth für alles, was sie uns gelehrt haben, und wir wollen gemeinsam als Team weiter lernen mit Kadek und Yan Putra (die neuen Lehrer, Anmerkung). Danke und höchste Wertschätzung allen Involvierten, und möge Gott jede Güte erwidern (der Bezug zu Gott ist in Bali sehr wichtig, Anmerkung).»

 

Das Budget von jetzt ca. 9000 CHF – anfänglich rechnete ich mit 7000-8000 CHF für den ganzen Lehrgang, den Aufbau der Produktionen und des Zentrums – wird im Juni/Juli mehr oder weniger aufgebraucht sein. Rund 4000 CHF davon werden dann an die Lehrer gegangen sein, die mit ihren Vergütungen wiederum ihre eigenen Organisationen (NGO) am Leben halten.

Also: «bersemangat», wie man hier sagt: mit Enthusiasmus weiter aufbauen!

Neue MitstreiterInnen sollen gewonnen werden, und man hofft, sich als 20-köpfige Gruppe (Minimun an Mitgliedern im indonesischen Recht) einmal als Bauern-Kollektiv eintragen lassen zu können. Dann würden zumindest einige notwendige Maschinen von der Regierung zur Verfügung gestellt werden. In Zukunft wird man sie brauchen.

Für kleine Leute, und das sind in Bali 80% der Einwohner, ist es sehr schwierig, Neues zu probieren und nicht einfach den Mainstreem-Wegen zu folgen. Einerseits fehlt es am «Mindsetting» («wir Balinesen begreifen vor allem die alten Routinen», meint einer der Bauern). Es fehlt aber auch überall an Investitionskapital, und man wird erst unterstützt, wenn man Erfolg hat. In einer korrupten Gesellschaft werden zudem nicht die Besten unterstützt, sondern die mit den besten Seilschaften. So bleibt in vielen Bereichen die Innovationskraft hinter den Möglichkeiten.

Für unser Vorhaben sind wir aber auf einem guten Weg.

Bersemangat ! Tani Nawakerti & Pidpid !
Ruth Schürmann, 12. April 2023

Foto: Stella Felder

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